AUSFÜHRUNGEN ZUM „PROJEKT DER KANONISCHEN EINGLIEDERUNG DES ERZBISTUMS IN DAS MOSKAUER PATRIARCHAT“

 

 

 

zusammengestellt von den Erzpriestern Jean Gueit und Theodor van der Voort, beauftragte Mitglieder der gemischten Kommission Erzbistum-Moskauer Patriarchat

 

 

 

Den Interventionen Rechnung tragend, die seit der Veröffentlichung der Dokumente durch unseren Erzbischof in Hinblick auf die Außerordentliche Generalversammlung des 7. September geäußert wurden, erscheint es nutzbringend, da einige Analysen oder Behauptungen irrig oder unbegründet sind, die grundsätzliche Ausrichtung des „Projekts der Eingliederung“ des Erzbistums in das Moskauer Patriarchat, wie es sich wirklich darstellt, zu verdeutlichen.

 

 

 

1) Der vorgestellte Text ist nicht der Text neuer Statuten, sondern derjenige einer Urkunde (Gramota, was einem Tomos entspricht), in dem es darum geht, dem Erzbistum eine kanonische Existenz zu sichern mit dem vollumfänglichen Schutz seiner Identität (Konzil von Moskau), seiner (territorialen) Unversehrtheit und seinem Funktionsmodus (administrative und finanzielle Autonomie), wie sie in den gegenwärtigen (und durch das Patriarchat von Konstantinopel aufgehobenen) Statuten festgelegt sind. Der vorgeschlagene kanonische Status wird der eines wirklichen und autonomen Erzbistums sein (und nicht derjenige eines „Patriarchalexarchats“, welches nicht nur kein Erzbistum war, sondern noch nicht einmal eine Diözese innerhalb des Patriarchats von Konstantinopel). Es wird innerhalb des Moskauer Patriarchats einen neuen Typus einer kirchlichen Entität (Struktur) bilden, welche in den Statuten des Moskauer Patriarchats hinzugefügt wird, wie das auch bei anderen Entitäten der Fall war, etwa der „Russischen Auslandskirche“, und die zu unterscheiden ist vom Exarchat des Moskauer Patriarchats für Westeuropa (welches kürzlich geschaffen wurde), wie auch von der Korssuner Diözese des Moskauer Patriarchats. Eine solche Eingliederung in die Statuten des Moskauer Patriarchats soll das Erzbistum schützen vor einer unerwarteten und willkürlichen Auflösung (wie jene vom 27. November 2018 seitens des Patriarchats von Konstantinopel, bestätigt am 3. September 2019, wie auch jene, schmerzvolle, der Diözese von Souroge durch das Moskauer Patriarchat, wobei die analoge Besonderheit der letztgenannten Diözese in Bezug auf das Erzbistum seinerzeit nicht durch das Moskauer Patriarchat anerkannt worden war. Die Delegation unseres Erzbistums, die die Verhandlungen geführt hat, hatte selbstverständlich diese Hintergründe im Sinn.)

 

2) Gleichzeitig bewahrt das Erzbistum seine juristische Existenz nach französischen Gesetz, was ihm, wie seit jeher bis heute, seine Autonomie zusichert:

 

Souveränität der Generalversammlung (einer ordentlichen und außerordentlichen), die vor allem berechtigt ist, sich, wie gegenwärtig, einer Unterdrückung oder Auflösung entgegenzusetzen.

 

Vollumfängliche Autonomie der finanziellen Verwaltung und der Immobilien.

 

Administrative und finanzielle Autonomie der Gemeinden, die ihren Status einer kultischen Assoziation in Frankreich (oder deren äquivalente Strukturen in den anderen Ländern) bewahren.

 

Dem Erzbischof (leitenden Hierarchen) kommt die Fülle der Rechte zu, die die Kanones vorsehen, vor allem das exklusive Recht, Weihen zu erteilen und die Priester den Gemeinden zuzuordnen, kanonische Entlassungen auszusprechen, neue Gemeinden oder neue Klöster zu gründen.

 

3) Wahl von Bischöfen: Dieser sensible Punkt scheint vor allem ungenaue Analysen des Projekts nach sich gezogen zu haben. Die vorgesehenen Dispositionen müssen daher im Licht der Dispositionen gesehen werden, die bis jetzt dem Erzbistum eigen waren, und wie sie festgelegt worden sind seit der Verleihung des Tomos des Jahres 1999 durch das Patriarchat von Konstantinopel. In dieser Frage ist tatsächlich eine Revision vorgesehen, und zwar in dem Sinne, dass eine Klärung und Festigung des spezifischen Status des Erzbistums, der durch das Patriarchat von Moskau anerkannt wird, vorgesehen ist, und zwar aufgrund der Geschichte [des Erzbistums]: Somit gilt:

 

(I) Die Initiative zum Vorschlag von Kandidaturen ist identisch mit der aktuell vorgesehenen (entgegen anderslautenden Behauptungen):

 

den Erzbischof betreffend steht sie den Gemeinde auf Einladung des Rats der Erzdiözese zu;

 

die Vikar- oder Auxiliarbischöfe betreffend steht sie dem Erzbischof zu, nach Befragung des Bischofsrats (momentan nicht existierend) und dem Rat des Erzbistums. NB: a) Nichts hindert den Erzbischof daran, vorher die Gemeinden zu Rate zu ziehen; b) Zur Erinnerung: bis zum Jahr 1999 ging die Initiative für die Vikarbischöfe vom Erzbischof aus, der sie direkt an das Patriarchat zur kanonischen Wahl durch den Heiligen Synod weiterleitete. So wurde Bischof Paul von Tracheia (Peter Alderson) direkt durch den Heiligen Synod von Konstantinopel gewählt. (II) Die Liste der Kandidaten wird bestimmt durch den Rat des Erzbistums (für den Erzbischof) oder durch den Erzbischof für die Auxiliarbischöfe; dann wird sie an den Patriarchen (Patriarchat von Moskau) weitergeleitet, „der das Recht hat, Änderungen an ihr vorzunehmen“. Bis jetzt wurde sie gleicherweise an das Patriarchat (Patriarchat von Konstantinopel) weitergeleitet, um „gutgeheißen zu werden“. NB: Die praktische Erfahrung im Jahr 2013 hat gezeigt, dass der Begriff des „Gutheißens“ durch das Patriarchat von Konstantinopel so interpretiert wurde, dass es ganz exakterweise als „Recht, Änderungen vorzunehmen“ in der vorgeschlagenen Liste, aufgefasst wurde: zwei Kandidaten wurden ausgestrichen und durch zwei andere, die der [Wahl-]Versammlung unbekannt waren und über die die Versammlung nach zwei Stunden des Wartens informiert wurden, ersetzt...).

 

Das Projekt sieht im Gegenzug eine Zusatzdisposition vor mit der Möglichkeit des Rats des Erzbistums, nach dem Erhalt der durch den Patriarchen (Moskauer Patriarchat) vorgesehenen Liste, neue Kandidaten vorzuschlagen (Siehe unten die vergleichende Tabelle der momentanen Gegebenheiten und des Projekts). Diese Disposition ist nicht nur kein „Blockaderiegel“, sondern eröffnet in Gegenteil die Möglichkeit einer vorhergehenden Absprache zur Erstellung der endgültigen Liste, und zwar vor der Zusammenkunft der Außerordentlichen Generalversammlung.

 

(III) Wahl: In der aktuellen Situation, seit dem Tomos von 1999, wird die Wahl des Erzbischofs und der Auxiliarbischöfe durch das Patriarchat von Konstantinopel angesehen als eine Vor-Wahl, das heißt als eine „Benennung“. Die eigentliche Wahl im kanonischen Sinne findet durch den Heiligen Synod statt. Im „Projet der Eingliederung“ werden der Erzbischof und die Auxiliarbischöfe sehr wohl durch die Generalversammlung (die Gewöhnliche oder Außergewöhnliche) gewählt. Der Heilige Synod des Moskauer Patriarchats vollzieht dann die kanonische Bestätigung (= Validation). Diese Disposition stärkt die Anerkennung der Spezifität des „Status der Autonomie“ des Erzbistums, indem es den Status des Erzbischofs kräftigt, der vollgültiges Mitglied des Episkopats des Moskauer Patriarchats ist als „leitender Hierarch des Erzbistums“ (und nicht als Patriarchalexarch-Erzbischof „honoris causa“, wie es bislang der Fall war).

 

(IV) Die letzte Disposition (IX), die „kanonische Perfektionierung der Präsenz des Moskauer Patriarchats in Westeuropa“, die heute mehrere kirchliche Strukturen umfasst, macht eine vertiefte Diskussion unter Beteiligung aller interessierten Teile notwendig und „lässt die reale Möglichkeit einer Reflexion über eine westliche Lokalorthodoxie“ offen, wie es einigen momentan vorschwebt (und nicht automatisch einen Prozess der Auflösung des Erzbistums bedeutet). Gleichfalls verlangt die Disposition III-12 - „Die Entscheidungen des Heiligen Synods der Russisch-Orthodoxen Kirche finden Anwendung innerhalb des Erzbistums unter Berücksichtigung der Eigenheiten seines Funktionierens und in Absprache mit dem Patriarchen von Moskau und ganz Rußland...“ - [weiterführende] Gespräche über die Umsetzungen der Entscheidungen. Zusammenfassend [kann gesagt werden], dass das Projekt den Status des Erzbistums in seiner Gesamtheit und in seiner Autonomie stärkt und stabilisiert. Keine Disposition der „Gramota“ tritt als restriktiver in Erscheinung in Bezug auf das, was bislang unser Status innerhalb jenes Tomos war, dessen Unsicherheit wir heute ermessen können. Die Rettung und die Aufrechterhaltung der Identität des Erzbistums hängen einzig ab von der Entschiedenheit der Gesamtheit seiner Mitglieder, Kleriker und Laien. Die Möglichkeit, direkt nach Annahme des „Projekts zur Eingliederung“ die Wahl neuer Auxiliarbischöfe vorzunehmen, wird vorgesehen, um dem Erzbistum die Möglichkeit zu geben, aus der Sackgasse herauszufinden und direkt einen Bischofsrat einsetzen zu können.

 

 

 

Erzpriester Jean Gueit und Theodor van der Voort