ANSPRACHE VON METROPOLIT JOHANNES VON DUBNA bei der Konzelebration mit
Patriarch Kyrill in Moskau
am 3. November 2019

 

Die erste offizielle Konzelebration des Leitenden Erzbischofs der russisch-orthodoxen Gemeinden in Westeuropa als Hierarch des Patriarchats von Moskau mit Patriarch Kyrill von Moskau seit dem Abbruch der Beziehungen zum Moskauer Patriarchat im Jahr 1931 fand am 3. November 2019 in der Christus-Erlöser-Kathedrale statt.

 

Bei dieser historischen Feier, an der 17 Bischöfe und mehr als 60 Priester und Diakone – davon die Hälfte dem Erzbistum zugehörig – teilnahmen, übergab seine Heiligkeit Patriarch Kyrill an Erzbischof Johannes von Dubna die „Gramota“ (das patriarchale und synodale Schreiben), mit der die kanonische Eingliederung des Erzbistums der Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa besiegelt wurde. Im Anschluss erhob er Erzbischof Johannes in den Rang eines Metropoliten.

 

In dankbarer Anerkennung der Verleihung dieser Eingliederungsurkunde hielt Metropolit Johannes die folgende Ansprache:

 

« Ihre Heiligkeit, ich werde heute hier von mehr als hundert Personen begleitet, von denen 37 Kleriker, Priester und Diakone, sind. Sie sind auf Ihre Einladung hin gekommen, um die Ausfertigung der kanonischen Eingliederung der Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa in das Patriarchat von Moskau zu besiegeln. Seit mehreren Wochen schon wird dieses Ereignis in Rußland, aber auch in Frankreich und selbst darüberhinaus in den unterschiedlichen Informationsplattformen als ein historischer Moment begrüßt. Historisch ist er zuallererst dadurch, dass in Erfüllung geht, auf was, wie wir alle wissen, Metropolit Evlogij seligen Andenkens gehofft hat, als er, durch die Wechselfälle der Geschichte gezwungen, im Jahr 1931 um die kanonische Protektion des Patriarchats von Konstantinopel gebeten hatte und meinte, diese Situation sei nur ein Provisorium. Als solcher, nämlich tatsächlich als Provisorium, wurde der Status durch das Patriarchat von Konstantinopel bewilligt. Wir dürfen Metropolit Evlogij zitieren: « Wenn wir diesen Weg beschreiten, dann ist es klar, dass wir uns nicht von unserer Mutter, der russischen Kirche, trennen... wir brechen nicht unsere Einheit mit ihr. Wir versprechen, dass wir, wenn die Zeit gekommen sein wird, ihrem freien Urteil in der Zukunft all unser Tun des gesamten Zeitraums unserer unfreiwilligen äußerlichen Trennung unterwerfen werden. Und wir fahren fort, in der Gemeinschaft des Glaubens, des Gebets und der Liebe mit dem Patriarchat von Moskau zu verbleiben... Dies ist also kein Bruch mit der russischen Kirche; es ist nur eine durch gewisse Umstände des aktuellen Lebens verursachte Unterbrechung. » Dieser Text, Heiligkeit, hat mein Handeln während dieser so schwierigen Monate geleitet, in denen unser Erzbistum gelitten hat. Noch als Erzbischof wurde Metropolit Evlogij im April 1921 vom heiligen Patriarchen Tichon von Moskau zum provisorischen Verwalter der russischen Gemeinden in Westeuropa ernannt: das geschah mit Einwilligung des heiligen Metropoliten Benjamin von Petrograd, dem bis dahin die Jurisdiktion über die religiösen Institutionen der russisch-orthodoxen Kirche in Westeuropa anvertraut war. Im Januar 1922 wurde er in den Rang eines Metropoliten erhoben. Im Jahr 1924 gründete er die « Union directrice des associations orthodoxes russes », das heißt: das Erzbistum, das aus orthodoxen Kultusvereinigungen russischen Ursprungs oder russischer kirchlicher Tradition besteht, die sämtlich dem dem Gesetz gemäß eingerichtet sind und die sich zusammengetan haben unter Anwendung der Gesetzesverordnungen des französischen Staats (von 1905). Im Laufe des tumultreichen Jahrzehnts von 1921 bis 1931 und ohne all die historischen Ereignisse vorhersehen zu können, erweist sich Metropolit Evlogij als ein Hirte, der treu zum Patriarchat von Moskau steht und gleichzeitig ein Missionar ist in einem Landstrich, in den ihn die Ereignisse und die göttliche Vorsehung gestellt haben. Er unterstützt die sich aufbauende Jugendbewegung ACER – РСХД, die von der heiligen Mutter Maria (Skobtsov) gefördert wird. Er gründet im Jahr 1924 das Theologische Institut Saint-Serge, dessen erster Rektor er wird, während Vater Sergius Bulgakow die Aufgabe des Dekans übernimmt. Dank dieser Initiativen hat Metropolit Evlogij die Fundamente gelegt und die missionarischen Dynamik geschaffen, die den herausragenden Mitgliedern der ersten Emigration die Möglichkeit geben, die liturgischen, geistlichen und theologischen Traditionen zu bewahren und fruchtbar werden zu lassen, indem sie sich stützen können auf das Erbe des historischen Lokalkonzils von Moskau der Jahre 1917-1918. Sie, Heiligkeit, haben das in Ihrem freundlichen Schreiben unterstrichen, welches Sie mir gleich zu Beginn unserer Gespräche im Dezember 2018 geschickt haben, und wie es in Ihrem Namen Metropolit Antonij von Chersonèse bei unserem ersten Treffen in Paris bestätigt hat. So wurden die Grundlagen gelegt für die russisch-orthodoxe Sendung in Westeuropa im Geist dessen, was die Verlautbarung « Sur la mission extérieure contemporaine de l’Église orthodoxe russe » (О современной внешней миссии Русской Православной Церкви – Über die äußere Sendung der russisch-orthodoxen Kirche heute) bekräftigt, die am 27. März 2017 durch den Heiligen Synod veröffentlicht wurde und die im Allgemeinen in Erinnerung ruft, dass die Kirche nach dem Wort des Erlösers seit Anbeginn ihrer Existenz das Evangelium „all den Fernen und all den Nahen“ (Eph 2,17) verkündet; sie ruft auch in besonderer Weise in Erinnerung, dass „die Gemeinden der russisch-orthodoxen Kirche außerhalb ihrer kanonischen Grenzen ursprünglich gegründet worden sind, um auf die Bedürfnisse der aus ihrer Heimat Vertriebenen zu antworten... und viele von diesen Gemeinden zur geistlichen Heimat von Vertretern der heimischen Bevölkerungen wurden, die sich der Orthodoxie zugewendet haben“. Diese Sendung wurde dadurch wahrgenommen, dass das Erzbistum, hervorgegangen aus der russischen Tradition, wirklich zu einer multiethnischen  und vielsprachigen Entität geworden ist, die sich heute zu mehr als der Hälfte sowohl in Bezug auf die Kleriker als auch bezüglich der Gläubigen aus Mitgliedern mit westeuropäischen Wurzeln zusammensetzt. Ich selbst bin einer dieser Vertreter und stehe darin insbesondere in der Nachfolge der Erzbischöfe Georg Wagner (aus Deutschland) und Gabriel de Vylder (aus Belgien) seligen Andenkens. Diese Besonderheit wurde anlässlich verschiedener Fernsehausstrahlungen gerade auch in Rußland hervorgehoben. Das [heutige] Ereignis ist historisch, denn Ihre Fürsorge unterstützt uns in dem Moment, wo die Integrität und die Berufung des Erzbistums im Begriff standen, vernichtet zu werden. Sie gewähren unserem Erzbistum im Rahmen der Vereinbarung, die wir gemeinsam ausgearbeitet haben, das Überleben und die Fortführung seiner missionarischen Berufung in Frankreich und in Westeuropa als vollgültige Erzdiözese. Sie stellen die Bewahrung unserer kirchlichen Entität sicher, wie sie sich entwickelt hat und wie sie in ihren liturgischen, theologischen und pastoralen, aber auch in den administrativen und finanziellen Dimensionen seit ihrer Gründung funktioniert. Dadurch wird unsere Identität gewahrt, die uns sehr ans Herz gewachsen ist und die uns den Weg gewiesen hat, uns Ihrem väterlichen Wohlwollen anzuvertrauen. Das Ereignis ist historisch, denn die kanonische Eingliederung, die Sie uns heute schenken und die mehr als eine Integration ist, besiegelt eine kirchliche Versöhnung. Es ist mehr als eine Rückkehr, die für viele von uns keine ist, sondern eine Ausweitung jener Mission und Sendung, die in der Verlautbarung vom 27. März 2007 angesprochen wird, die eben zitiert wurde. In Treue zu dieser Sendung in der Tradition, deren Erbe das Erzbistum ist, möchte die Erzdiözese auch ihr Zeugnis weiterführen im Respekt der christlichen Identitäten vor Ort, die sich anderen geistlichen und theologischen Traditionen verpflichtet fühlen. Trotz der Erschütterungen des vergangenen Jahrhunderts, die oft sehr schmerzlich und sogar grausam waren, die Zwietracht gesät haben über mehrere Generationen hinweg und die Verwundungen zurückgelassen haben, die oft noch nicht vollständig vernarbt sind, glauben wir daran, dass der Herr sich nur freuen kann über die Einheit, die wir heute öffentlich bekunden. Wir sind uns daher sicher, dass er uns die Freude und die tiefe Sehnsucht schenken wird, dort treue Zeugen des Auferstandenen zu sein, wo wir in jedem Augenblick stehen. Dass wir gemeinsam ans Werk gehen in der Einheit mit der gesamten Orthodoxie in der Bewahrung des vollkommenen Leibes Christi in der Treue zur letzten geistlichen Botschaft, die uns Metropolit Evlogij hinterlassen hat: « Die Freiheit des Geistes in der Kirche ist heilig ».
+ Erzbischof Johannes von Dubna, am 3. November 2019″