Osterbotschaft des Jahres 2022
seiner Eminenz des
Metropoliten JOHANNES von Dubna

 

An die Exzellenzen, den Klerus, die Mönche, die Monialen und die Gläubigen des
Erzbistums der orthodoxen Kirchen russischer Tradition in Westeuropa

 

Liebe Vikarbischöfe, liebe Väter, geliebte Brüder und Schwestern in Christus!

 

Die Auferstehung Christi, der Sieg des Lebens über den Tod, ist das Herzstück unseres
Glaubens, sie ist wesenhaft der Kern des Gottesdienstes, unseres Seins und der Kultur des
orthodoxen Volkes, das den Namen Christi trägt. Das Leben der orthodoxen Gläubigen ist
ganz durchdrungen vom Glauben an die Auferstehung und zieht all seine Kraft aus ihm. Diese
österliche Erfahrung ist nicht nur die Erinnerung an die Auferstehung des Herrn, sondern auch
die Umsetzung im Leben unserer eigenen Erneuerung und der unerschütterlichen Sicherheit,
dass unser Glaubensbekenntnis seine eschatologische Erfüllung findet.

 

Eine jede eucharistische Liturgie ist zuinnerst verbunden mit dem « ganz heiligen
Tag » des Sonntags, dem Tag der Auferstehung. Der österliche und freudige Charakter der
Göttlichen Eucharistie sticht besonders hervor: Sie wird immer in einer Atmosphäre der
Freude und der Fröhlichkeit gefeiert, da sie ein Vorabbild der Erneuerung der gesamten
Schöpfung ist.

 

Der orthodoxe Gläubige hat ein ganz eigenes Bedürfnis und einen mächtigen Antrieb,
gegen jede Art des Bösen zu kämpfen, denn er lebt zutiefst den Kontrast zwischen den
Letzten Dingen und den historischen Gegebenheiten, in denen er sein Leben führt, gemäß
dem Wort des Herrn: « Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr
mir getan! » (Mt 25,40); nach dem Vorbild der Liebesdienste des guten Samariters (vgl. Lk
10,30-37) sieht er im Verletzten, im Flüchtenden, im Armen einen ihm Nahestehenden und er
hilft ihm, ohne zu überlegen. Diese liebevolle Dienstbereitschaft und die Hilfe für den Bruder
in einer Notsituation weiten den Sinn des eucharistischen Mahles der Kirche aus und
unterstreichen ihn. Sie legen offen, dass die Liebe die tiefgreifende Umsetzung im Leben des
Lebens in Christus ist, und zwar im Hier und Jetzt und im Himmelreich.

 

Die Verkündigung der Auferstehung, «des Festes der Feste», der allmächtigen Liebe,
die die Macht des Todes vernichtet hat, erklingt heute in einer geschändeten Welt, in der ein
brudermörderischer Krieg und andere vergessene Kriege wüten, in der es soziale
Ungerechtigkeit gibt und die Würde der menschlichen Person in Frage gestellt wird. Unserer
heutigen Welt, die für Tausende von Flüchtenden, für unschuldige Männer, Frauen und
Kinder, die kaltblütig einer sogenannten Integrität des Staates geopfert wurden, einem
Golgotha gleichkommt, verkündet die Auferstehung, dass vor Gott das menschliche Leben
einen absoluten Wert hat. Sie bekräftigt, dass die Prüfungen und die Leiden, das Kreuz und
Golgotha nicht das letzte Wort haben. Diejenigen, die ans Kreuz schlagen, werden nicht den
Triumph ihrer tragischen Siege davontragen. Für die orthodoxe Kirche ist das Kreuz das
Zentrum der Frömmigkeit, doch es ist nicht das endgültige Ziel, das auch den Schlusspunkt
der Orientierung des kirchlichen Lebens definiert. Der wirkliche Sinn des Kreuzes besteht
darin, dass es der Weg ist, der zur Auferstehung führt. Auf dieser Grundlage können wir
ausrufen: « Durch das Kreuz kam Freude in die ganze Welt ». Der Gottesdienst vom Leiden
des Herrn ist nicht traurig, sondern eine Vermengung von Kreuz und Auferstehung, dass das Leiden durch die Auferstehung hindurch angenommen und gelebt wurde. Diese Auferstehung
ist eine « Erlösung unseres Leids ».

 

Liebe Brüder und Schwestern, wir als orthodoxe Gläubige, die wir erfüllt sind von der
Erfahrung der Auferstehung, die wir erleuchtet sind durch den Auferstandenen, der das Licht
ohne Untergang ist, die wir Dank sagen für alles und den Willen des Herrn zu ergründen
suchen, wir singen mit der ganzen Kirche: « Christus ist auferstanden! ». Beten wir zum
Herrn, der verurteilt und begraben wurde und der auferstanden ist, dass er die Verstehenskraft
und das Herz eines jeden Menschen guten Willens erleuchte; dass er uns heranführe an jedes
gute Werk und dass er seine Kirche stark mache, damit sie Zeugnis gebe für das Evangelium
der Liebe « bis an die Enden der Erde » (Apg 1,8) und die Herrlichkeit Seines Namens
verkünde, der « größer ist als alle Namen ».

 

Euch allen ein heiliges Osterfest des Jahres 2022.

 

 

 


 

 

 

† Metropolit JOHANNES von Dubna,

 

Erzbischof der orthodoxen Kirchen russischer

 

Tradition in Westeuropa

 

 

 

© 2022 Archevêché des églises orthodoxes de tradition russe en Europe occidentale