Weihnachtsbotschaft 2018
seiner Eminenz des
Erzbischofs JOHANNES von Chariopolis

 

 

 

Wir begehen jetzt die Tage der Vorbereitung, in denen wir die Feier der Fleischwerdung des Mensch gewordenen Gottes erwarten. Als Menschen, die wir sind, können wir uns da der Tragweite dieses Ereignisses bewußt sein?

 

 

 

Die Geschichte zeigt uns die traurige Realität eines gefallenen Menschen auf, der durch seinen Hochmut seine Stellung in der Schöpfungsordnung verloren hat, indem er zur Gänze seine wirkliche Bestimmung verkennt, die darin besteht, dem Bild zu entsprechen, nach dem er erschaffen wurde, und indem er sich gegen Den auflehnt, der ihm aus Liebe den Lebensatem eingehaucht hat. Das Aufbegehren des Menschen hat die Harmonie des Universums umgeworfen, aus der Ordnung wurde Unordnung, aus dem Licht der Schöpfung wurde Finsternis und Ignoranz. Trunken von sich selbst, lehnt dieser Mensch den Schöpfergeist ab und beleidigt ihn, wo er doch dazu geschaffen wurde, aus Ihm und in Ihm zu leben.

 

 

 

Die Zeugen dieses Geistes werden systematisch ermordet, die Propheten Gottes verjagt und verfolgt. Den letzten Versuch eines Dialogs mit diesem verirrten Menschen – Gott wird ihn in Angriff nehmen, indem er sich ihm gleich macht: « und ist Mensch geworden », so singen wir im Glaubensbekenntnis.

 

 

 

Und damit befinden wir uns im Herzen des christlichen Mysteriums. Gott verurteilt seine Schöpfung und seine Geschöpfe nicht, Gott vernichtet sie nicht – nein, er kommt, demütig und entblößt von allem, er nimmt Menschengestalt an, seine Schwachheit, seine Krankheit, er erniedrigt sich, um ihm näher zu sein, und nimmt ihn bei der Hand und zeigt ihm den Weg, den er nicht sehen wollte.

 

 

 

Der Mensch hatte sich von Gott entfernt und Gott gleicht sich ihm in seiner unendlichen Liebe an in der Nacht von Bethlehem.

 

 

 

Versuchen wir doch einmal, in unseren Herzen die Zeichenhaftigkeit dieses Gottesgeschenks zu ergründen: mit dem Verstand werden wir es nicht erreichen, denn diese Demut Gottes übersteigt uns, die wir so sehr vom Hochmut des menschlichen Wesens beseelt sind.

 

 

 

Gott wurde Mensch, damit der Mensch zum Gotteskind werden kann, so sagt uns der heilige Athanasius von Alexandrien. Dieser Satz ist gleichzeitig erhebend und beängstigend.

 

 

 

Denn tatsächlich hat der Mensch seine wahre Beschaffenheit nicht verstanden, er hat nicht begriffen, was das wirkliche Ziel seiner Erschaffung ist; Gott musste erst Fleisch annehmen, sich bis zum ihm niederbeugen, um ihm seine wirkliche Realität zu zeigen, um ihm zu helfen, seine Ähnlichkeit wiederzufinden, wo er doch das Abbild des Antlitzes des Schöpfers ist. Unser ganzes christliches Leben läßt sich in dieser Suche zusammenfassen und die Geburt Christi ruft es uns in Erinnerung. Gott wurde Mensch, um uns besser dienen zu können, um der Freund zu sein, der uns entgegenkommt, nicht der Herr, der verurteilt. Weihnachten ist wahrhaftig das Fest des Menschen, des menschlichen Wesens, das in Christus seinen wirklichen Lebenssinn wiederfindet, das wieder zum Geschöpf nach Seinem Bild wird, Ihm ähnlich.

 

 

 

Brüder und Schwestern, überlassen wir also die heidnischen Feste denen, für die der Mensch zum Götzenbild geworden ist. Wenden wir unser Herz der Felsgrotte zu, die Gott einen Unterschlupf gewährt hat, betrachten wir dieses Neugeborene mit aller Aufmerksamkeit eines Herzens, das bereit ist, das tiefte Geheimnis des Glaubens zu empfangen. Gott ruht in dieser demütigen Krippe und er ruft einen jeden von uns an, Ihn in unserem tiefsten Inneren zu beherbergen. Die Menschen haben Ihm einen Platz in der Herberge versagt; wir hingegen, wir öffnen Ihm weit die Türen der Krippe unseres Herzens, damit er dort Wohnung nehme.

 

 

 

Erkennen wir Ihn als Gottmenschen; dann wird er aus uns einen Menschen machen, der ein Gotteskind ist. Lassen wir uns alle zusammen in diesen Tagen, in denen wir das Gedächtnis der Erscheinung des Heils der Menschheit in der Welt begehen, durch den Stern zu dem Ort leiten, an dem sich die geheimnisvolle Vereinigung des Göttlichen und Menschlichen vollzieht. Lassen wir uns durchdringen von diesem Geheimnis, weisen wir die Sorgen einer Welt von uns, die Gott aus ihrem Leben verjagt hat, und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche.

 

 

 

Bereiten wir uns vor, Ihn zu empfangen durch das Fasten, seien wir wachsam im Gebet, und wenn er an die Tür unseres Herzens klopfen wird, dann werden wir bereit sein, Ihn zu empfangen, denn es wird Platz sein für sie – ja, im … …

 

 

 

Allen ein geheiligtes und heiliges Fest der Geburt unseres Herrn Jesus Christus.

 

 

 

Paris, am 25. Dezember 2018 / 7. Januar 2019

 

 

 

† JOHANNES von Chariopolis,

 

Erzbischof der orthodoxen Gemeinden

 

russischer Tradition in Westeuropa