Weihnachtsbotschaft von Metropolit Johannes von Dubna

 

 

 

« Verborgen wurdest du geboren in der Höhle, aber der Himmel hat dich allen verkündet gleich einem Munde, da er voraussandte den Stern, o Erlöser. Und die Magier hat er zu dir gebracht, die im Glauben dich verehren. So wie ihrer erbarme dich unser, (Menschenliebender)! »

 

(Vesper zum Geburtsfest unseres Herrn und Gottes Jesus Christus)

 

 

 

Weihnachten, die Geburt Christi, ist ein einmaliges Ereignis, das sich inmitten der Menschen ereignet hat. Jesus, der Sohn Gottes, wird in einer Höhle geboren, während sich alles um ihn herum völlig unbekümmert gibt. Es ist die Erde selbst, die ihn vor Wind und Wetter schützt. Heute, wo eine so geheimnisvolle Sehnsucht nach etwas ganz anderem in den Herzen tiefe Wunden aufreißt, gibt da nicht Gott selbst eine Antwort auf unsere Ängste und unsere Fragen? Der Mensch gewordene Gott, der für uns alle ein tiefes und unergründliches Geheimnis bleibt, ist nicht Er es, der in unseren unablässigen Kämpfen gegenwärtig ist, ohne dass wir uns dessen bewusst sind? Jeder Mensch ist ein Kind Gottes, gleichzeitig Fleisch und Geist; und dadurch berührt das Geheimnis Christi alle Menschen. Alle stehen im Kampf zwischen Fleisch und Geist, alle rebellieren und widerstehen, alle versöhnen sich und unterwerfen sich, um schließlich, verwundet wie Jakob durch den Engel, das letzte und höchste Ziel dieses Kampfes zu erkennen: die Vereinigung mit dem lebendigen Gott. Christus lädt uns aus dem hintersten Winkel der Nacht von Bethlehem ein, uns auf diesen Weg zu machen, indem wir den schmerzlichen, aber doch so lichterfüllten Spuren Seiner Schritte folgen.

 

Die Texte des orthodoxen Weihnachtsgottesdienstes sprechen sehr oft von der Höhle. Schon sehr früh hat die christliche Tradition die Geburt Christi in einer Höhle verortet, die ein Symbol ist für den Vollzug einer geistlichen Verwandlung, einer geheimen Umwandlung, verborgen vor den Augen aller. Und in den engen Grenzen dieser Höhle geschieht es, dass der Unfassbare sich den Menschen offenbaren möchte: « Im Geheimnis der Höhle bist Du geboren », so singen wir im Gottesdienst. Diese Höhle ist die Gabe der Erde an den unendlichen Gott, der Fleisch zu werden geruht in der Endlichkeit. Doch ein jeder von uns, so sagen die Mystiker, ist im tiefsten Inneren seines Herzens eine Höhle. Dort soll sich das Geheimnis von Weihnachten erneuern – dieser Bund des Menschlichen und Göttlichen, des Unendlichen und des Endlichen. Das Weihnachtsfest sollen wir leben mit dieser inneren Bereitschaft und dieser Fähigkeit zur Umwandlung, sonst bleibt dieses Fest für uns rein äußerlich, wo es uns doch eigentlich gestatten sollte, in den geheimnisvollen Raum der Höhle einzutreten, die uns das Geheimnis offenbaren will.

 

Euch allen ein gesegnetes Fest der Geburt Jesu Christi, des menschenliebenden Herrn!

 

Paris, 25. Dezember 2021 / 7. Januar 2022

 

 

 

† Metropolit JOHANNES von Dubna,

 

Erzbischof der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa