Er gehört zu den bemerkenswerten Gestalten der orthodoxen Kirche des zwanzigsten Jahrhunderts. Sein Leben fällt mit den tragischen Ereignissen der russischen Geschichte zusammen. Er war Zeuge des Niedergangs des zaristischen Reiches im Russisch-Japanischen Krieg und in der Revolution vom Jahre 1905. Während der parlamentarischen Kämpfe war er Mitglied der zweiten Sektion der dritten Duma. Er wurde vom Ersten Weltkrieg, dem Sturz des Zaren, dem Bürgerkrieg und dem Exil überrascht. So erlebte er auch die russische Emigration nach dem Westen und schließlich den Zweiten Weltkrieg. Alle diese Ereignisse, an denen er aktiv teilnehmen musste, trugen dazu bei, seiner überragenden Persönlichkeit den Stempel einer historischen Gestalt aufzudrücken, die in die Annalen der orthodoxen Kirche eingehen sollte. Seine Memoiren (nach seinen Berichten von Frau T. Manuchina redigiert und 1947 in Paris auf russisch durch die YMCA-Presse [667 Seiten] veröffentlicht) zeigen uns ein beredtes Bild seiner Epoche, seiner Aktivität und aller religiösen Werke, deren Urheber, Inspirator und Schutzherr er war. Er entstammte der Familie eines einfachen Dorfpriesters aus dem Gouvernement Tula. Da die Geistlichkeit des alten Russland wie eine Kaste organisiert war, empfing er seinen Unterricht auf jenen kirchlichen Anstalten, die den Söhnen der Geistlichkeit offenstanden. Die Beschreibung, die er über seinen Aufenthalt auf diesen Anstalten gegeben hat – sie bezieht sich auf seine Erfahrungen als Schüler, dann als Lehrer, Inspektor und Rektor der kirchlichen Seminare – vermittelt recht traurige Eindrücke: die Grobheit der Sitten, das geistige Niveau, die Moral der Schüler. All dies war beklagenswert.
Der Zwangscharakter einer halbmonastischen Disziplin und eine ebensolche Lebensweise, die einer verweltlichten Jugend auferlegt wurden, machten die Seminare zu Brutstätten des Atheismus. Der Besuch der Seminare öffnete ihm den Weg zum Eintritt in den Klerus, aber der junge Georgievskij begnügte sich nicht mit der Aussicht, sein ganzes Leben Dorfpriester zu bleiben. Auf den Rat des angesehenen Starez Amvrosij aus dem Kloster von Optina und gegen den Wunsch seiner Familie stellte er sich der Theologischen Akademie von Moskau vor, wo er die ganz andere Atmosphäre einer vertieften theologischen Arbeit und eines kirchlichen Enthusiasmus der jungen Mönche fand. Er blieb dort vier Jahre. Nach einer kurzen Zeit des Privatunterrichts wurde er im Jahre 1895 Mönch. Die folgenden Jahre seiner Laufbahn sind ein Beispiel für das Leben eines jungen Geistlichen im zaristischen Russland. Die Jahre von 1895-1897 verbrachte er als Inspektor des Seminars in Vladimir, von 1897-1902 war er Rektor des Seminars von [S. 13] Cholm, 1903 wurde er Hilfsbischof in Cholm und 1905 ordentlicher Bischof derselben Diözese. Diese Jahre seiner Wirksamkeit sind durch eine große organisatorische Arbeit für das Leben der Kirche gekennzeichnet, durch einen erbitterten Kampf mit den Unierten in der stark polnisierten Provinz seiner Diözese, durch die Gründung mehrerer Klöster und vor allem durch die Teilnahme, die er für eine arme, unterdrückte, durch die Landeigentümer geradezu verfolgte Bevölkerung aufbrachte. Bischof Evlogij liebte zu sagen, dass er nach seinen Neigungen und Vorzügen ein "Bischof der Bauern" wäre. Er lebte mit dem christlichen Volke, und sein ganzes, äußerst einfaches, bescheidenes und aufgeschlossenes Auftreten hatte so gar nichts von einem Kirchenfürsten an sich.
Während der Jahre 1907-1912 setzte er seinen Kampf für seine Pfarrkinder in der zweiten und dritten Duma fort, was ihm einen erwarteten Hass von Seiten der polnischen Partei, ebenso aber auch das Misstrauen der Rechten eintrug, die in ihm einen "Liberalen" argwöhnte.
Was die Linke anbetrifft, so war man ihm darum feindlich gesonnen, weil er Bischof war, also ein "Rückschrittler". Während des Ersten Weltkrieges wurde er Erzbischof von Wolhynien, wo er das Leben der Kirche in den durch die russische Armee besetzten Gebieten leiten sollte. Die Verleumdungen haben aus ihm einen "Russifikateur" gemacht, der die Unierten gezwungen gehaben sollte, orthodox zu werden. Diese Behauptungen haben ihm eine sehr schlechte Behandlung eingetragen, als er nach der Revolution in die Hände der polnischen Behörden gefallen war.
Im Jahre 1919 ging er durch das ganze Elend des Bürgerkrieges, der Anarchie, der Vertreibung und zahlreiche Gefangenschaften hindurch. Nach der Niederlage der Weißen Armee des General Wrangel im Jahre 1921 musste er endgültig Russland verlassen. Zunächst ging er nach Serbien, dann nach Westeuropa. Am 26. April 1921 vertrauten ihm der Patriarch Tichon und der Heilige Synod die Leitung der russischen Kirche im Auslande an. Er ließ sich in Paris nieder, um einen neuen Abschnitt seines Lebens zu beginnen, der gleichzeitig ebenso bescheiden wie großartig war. Während der Jahre der Anpassung an die neuen Lebensbedingungen der Kirche im Exil musste er erkennen, dass er über kein Mittel zur Ausübung von Zwang und Disziplin verfügte und die Autorität seines bischöflichen Ansehens allein auf dem guten Willen seiner Pfarrkinder beruhte, auf ihrer Liebe zur Kirche und ihrer Verehrung des Bischofs. Die russische Emigration war zahlreich und buntscheckig. Sie war aus Dutzenden, wenn nicht aus Hunderten von Flüchtlingen zusammengesetzt, die aus allen Ecken Russlands gekommen waren und allen sozialen Klassen und dem verschiedensten Niveau angehörten. Die Mehrzahl von ihnen war ohne irgendwelche Hilfsmittel, fühlte sich vollkommen fremd in den neuen Bedingungen des Lebens und hatte eine geistliche Hilfe nötig. Man musste neue Pfarrgemeinden in den industriellen Zentren organisieren, wo die Russen als einfache Arbeiter tätig waren und mit ihren Familien in äußerster Armut lebten. Gerade unter diesen Leuten entfaltete der Metropolit Evlogij seine großen Gaben. Er brachte Segen, ermutigte, unterstützte die persönlichen Initiativen. Seine Diözese sah unter seiner Leitung ein wunderbares Aufblühen von neuen kleinen Pfarrgemeinden in den Städten und Dörfern, über welche die Emigrierten zerstreut waren. Die neuen Kirchen, die in Paris innerhalb der Bannmeile lagen und die in anderen Ländern sich niedergelassen hatten wie etwa in Deutschland, Belgien, Skandinavien oder Marokko, gebrauchten häufig als Kultstätten für ihre Gottesdienste nur Garagen, Scheunen und Privathäuser. Aber der Glaube der Gläubigen verwandelte diese Stätten in wahre Heiligtümer und Orte des Gebetes. Metropolit Evlogij schonte seine Kräfte nicht und unternahm zahlreiche Reisen, um seine entwurzelten Gemeinden zu besuchen. Eines seiner Hauptwerke war die Gründung des Instituts St. Serge, das als Theologische Fakultät für die Heranbildung der Geistlichkeit geplant war, aber zu einem Zentrum des theologischen Denkens und der orthodoxen Kunst im Westen geworden ist. Es ist sehr schwer, die zahlreichen Initiativen aufzuzählen, die von Metropolit Evlogij ausgegangen sind: "Die orthodoxe Aktion", die durch Mutter Marija (Skobcova) auf dem Felde der Sozialarbeit ins Leben gerufen worden ist; "Die Bewegung der christlichen Studierenden", deren junge begeisterte Mannschaft eine wichtige Rolle in der ökumenischen Bewegung gespielt hat; "Die Liga für orthodoxe Kultur" und die ökumenischen Arbeiten der russischen Theologen – alle diese Werke fanden in der Person des Metropoliten eine warme und herzliche Unterstützung. Aber sie waren auch die Ursache der Schwierigkeiten, die sich zwischen dem Metropoliten und der konservativen Richtung der Kirche erhoben und die zu einem Bruch zwischen ihm und der Synode der in Jugoslawien residierenden Bischöfe führten, die in der Kirche die Beibehaltung des alten Regimes sehen wollten.
Der zweite Bruch zwischen dem Metropoliten Evlogij und dem Patriarchatsverweser von Moskau erfolgte im Jahre 1931, als der Metropolit Sergij von Moskau einen Loyalitätsakt von Seiten der Geistlichkeit unter der Jurisdiktion des Metropoliten Evlogij gegenüber der sowjetischen Regierung verlangte. Evlogij betrachtete dies als einen Akt der politischen Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche. Er sah sich infolgedessen genötigt, mit dem Patriarchat von Moskau zu brechen. Er begab sich nach Konstantinopel, um den kanonischen Schutz des Ökumenischen Patriarchates zu erbitten. Dieser wurde ihm großherzig durch den Erlass des Patriarchates vom 17. Februar 1931 gewährt. Der Metropolit und Erzbischof der russischen Kirchen im Exil wurde der Exarch des ökumenischen Patriarchen und Leiter seines russischen Exarchates in Westeuropa. Unter seinem Episkopat hat die russische Kirche in Europa eine glänzende Periode der Bezeugung des orthodoxen Glaubens im Westen erlebt.
Das Lebensende des Metropoliten Evlogij wurde durch die Verhängnisse des Zweiten Weltkrieges überschattet, durch die Besetzung Frankreichs seitens der Nazis, die ihn als einen Feind des Dritten Reiches betrachteten, und durch den Tod einer großen Anzahl seiner Mitarbeiter. Infolge einer langen Krankheit starb er am 8. August 1946. In der Krypta der Kapelle des russischen Friedhofes in St. Geneviève de Bois in der Umgebung von Paris fand er seine letzte Ruhestätte.
Das Wochenendseminar für junge Erwachsene findet vom
16. – 18. Mai 2025
im Freizeithaus Käsenbachtal in Albstadt statt.
Zum Thema:
Das OJB-Sommerlager in Baden-Württemberg findet vom
8. bis 18. August 2024
in der Jugendbegegnungsstätte Uchtstr. 28 in 78598 Königsheim statt.
Eingeladen sind Kinder von 7 - 15 Jahren.